Wir können die Ewigkeit zwar nicht begreifen, aber wir maßen uns an, sie im Griff zu haben:
Der radioaktive Abfall unserer Atomkraftwerke
strahlt noch eine gefühlte Ewigkeit – eine Million Jahre.
Ist das zu verantworten?
Artikel mit freundlicher Genehmigung des Verlages entnommen der „stadt gottes“ (heute: "leben jetzt"), Heft-Nr. 4 / April 2011 www.stadt-gottes.de
Ein bisschen absurd ist es schon, dass wir Menschen versuchen, die Ewigkeit zu beherrschen, ohne sie überhaupt zu begreifen. Denn wenn wir uns schon mit Begriffen wie „ewiges Leben“ schwertun, die Dimension der Ewigkeit also unser Vorstellungsvermögen weit übertrifft, wieso maßen wir uns an, Fakten für die Ewigkeit zu schaffen? Man kann zur Atomkraft stehen, wie man will, allein die Tatsache, dass der Mensch radioaktive Stoffe nicht einfach unschädlich machen kann, sollte uns darüber nachdenken lassen, ob wir nicht auch für die Ewigkeit Verantwortung übernehmen müssen. Das fällt allerdings in unserer schnelllebigen Zeit zunehmend schwer, weil wir verlernt haben, über unser irdisches Dasein hinauszuschauen. An Tage zu denken, die in ferner Zukunft oder noch weiter weg liegen. Wären die Menschen früherer Generationen ähnlich naiv vorgegangen, vielleicht gäbe es uns dann gar nicht.
Stellen wir uns vor, es hätte schon vor 40 000 Jahren Atomkraftwerke gegeben und die Menschen damals hätten ihren radioaktiven Müll irgendwo im Boden vergraben, so wie wir das heute in Endlagern wie Morsleben tun. Wir hätten inzwischen damit zu kämpfen, dass Wasser in die Einlagerungskammern eingedrungen ist, dass sich radioaktive Stoffe im Bergwerk ausbreiten und schließlich die Biosphäre erreichen. In der Tagesschau würde es heißen: „Über das Grundwasser und die Nahrungsaufnahme kann es zu einer inneren Strahlenbelastung der Bevölkerung kommen. Die Erdbewohner vor 40 000 Jahren wussten das bereits, haben sich aber wohl nicht weiter um die zukünftige Situation gekümmert.“
Klingt nicht sehr sympathisch und ist tatsächlich in der zwei Millionen Jahre langen Geschichte der Menschheit beispiellos. Bis auf heute, bis auf die letzten 30 Jahre, in denen wir tief im Erdreich Fakten schaffen, die mit großer Wahrscheinlichkeit irgendwann die Gesundheit unserer Nachfahren gefährden, sie vielleicht sogar töten.
Denn dass zum Beispiel die Transportbehälter für radioaktive Abfälle schon in wenigen Tausend Jahren keinen Schutz mehr bieten, gilt als sicher. Von Erdbeben, Vulkanausbrüchen oder Rissbildungen im Gestein, die sich immer ereignen können, mal ganz abgesehen.
Noch vor 10 000 Jahren wurde etwa die Eifel von heftigen Eruptionen erschüttert, die eine völlig neue Landschaft schufen. Hätte dort jemand 20 000 Jahre zuvor im guten Glauben an höchstmögliche Sicherheit radioaktiven Müll vergraben, er wäre den Siedlern buchstäblich um die Ohren geflogen.
Heute stehen in Europa rund 9500 Kubikmeter hochaktiver Abfall in Zwischenlagern, manches davon wird noch in einer Million Jahren strahlen. Eine Ewigkeit lang. Die amerikanische Regierung hat Ende der 80er-Jahre die Betreiber eines Endlagers angewiesen, Ideen zu entwickeln, wie man den Menschen in der Zukunft klarmacht, dass sie an dieser oder jener Stelle niemals buddeln dürfen. Ein Warnschild für die Ewigkeit also. Eine schwierige Aufgabe, wenn man bedenkt, wie sich die Welt in den letzten 10 000 Jahren verändert hat. Wie wir uns von Jägern und Sammlern zu Astronauten und Bankern entwickelt haben. Da bleibt die Vermutung über den Menschen in ferner Zukunft nur kühne Spekulation. Zu den wenigen Gewissheiten gehört jedoch, dass es dann die heutigen Sprachen und Länder nicht mehr geben wird.
Der Ewigkeits-Warnhinweis muss also nicht nur gefunden, er muss auch verstanden und vor allem ernst genommen werden. Dass das nur schwer gelingen wird, zeigen die Pyramiden von Cheops. Auf deren Gräbern stand auch, dass die Toten nicht gestört werden dürfen, trotzdem hielt sich niemand daran. Vermutlich wird der Mensch seinen Hang zum Vandalismus auch in Zukunft nicht verlieren, weswegen die Idee der Wissenschaftler, simple Comics auf Monolithen zu malen, reichlich amüsant klingt.
Was uns zeigt: Wir Menschen sind Teil der Ewigkeit, mehrerer Ewigkeiten, wie auch immer, aber wir sind unfähig, sie zu beherrschen. Dass wir es dennoch versuchen, wird uns der Schöpfergott irgendwann ankreiden. Zu Recht.
Peter Hummel